Erleuchtung

Wir starten in Irkutsk bei Nebel und betreten das Abteil für den wohl schönsten Abschnitt unserer Reise durch Russland. Der Zug fährt heute fünf Stunden entlang des Baikalsees und wir hoffen, dass sich der Nebel bis dahin noch verziehen wird. In unserem Abteil sitzt bereits ein Russe, der uns ein Bier auf den Tisch stellt, als wir unser zweites Frühstück auspacken. Ein zweiter Mitreisender betritt das Abteil, Sascha kommt aus Wien, arbeitet als Wirtschaftsgeograph und ist beruflich in Russland. 

Der Himmel reißt auf und diese endlos erscheinende Landschaft Sibiriens leuchtet vor unserem verdreckten Zugfenster. 

Den See auf der einen Seite, die Berge auf der anderen fahren wir in einem sehr gemächlichen Tempo und teilen uns das Bier mit Sascha. Er erklärt uns so nebenbei, warum Baden-Württemberg aus wissenschaftlicher Sicht so erfolgreich ist. Erstens meint er, weil wir geographisch gut liegen und zweitens, weil sich die Menschen wenig gönnen und alles immer reinvestiert wird. So ist der Wohlstand und die ganze Industrie entstanden und es sieht auch weiterhin gut aus. Auf diese Tatsache hin würde ich mir gerne noch was gönnen und noch ein Bier bestellen. Sascha macht ungefähr tausend Bilder vom See und findet auf einer Seite des Zuges ein Fenster, das ganz herunter geklappt werden kann. Die Fotos der fast alpenländischen Landschaft werden somit nicht so "schmutzig" wie die auf der Seeseite. 

Kurz vor Ulan-Ude begleitet uns der Fluss Selenga zu unserer nächsten Gastgeberin. Anna ist spät, wir warten vor dem Bahnhof. Der Verkehr hat sie 10 Minuten zu spät kommen lassen, was jedoch überhaupt kein Problem ist. Nach drei Wochen Russland haben wir großes Vertrauen in dieses Land und seine Menschen und wissen, dass Verspätungen manchmal dazu gehören. 

Am goldenen Lenin vorbei zur Straßenbahn und ins Hochhaus zu Babuschka in die Küche, die mir am nächsten Tag auf Russisch erklärt, dass die Taste zwei der Fernbedienung des Fernsehers in der Küche der regionale, burjatische Sender ist. Wir lieben sie. 

Das Abendlicht lockt uns noch einmal auf die Straße und in in ein russisches Fastfood-Restaurant, in dem wir noch ein deutsches Weißbier zur Erleuchtung trinken.