Wir wagen den Sprung ins nahe gelegene Freibad. Es ist kostenlos und trotzdem schwimmen wir alleine im grünen Wasser. Es ist ungeheizt, kalt und wird aus dem Fluss gespeist. Man zieht an einer Kette und die Duschen werden aus den Rohren des Geländers befüllt. Nächstes Jahr soll es renoviert werden. Für uns hat es noch den Charme der alten Zeiten. Ein altes Ehepaar schläft in einem kleinen Zelt und lässt uns schmunzeln. Nur noch einen Katzensprung sind wir von der deutschen Grenze entfernt. Die Innenstadt von Nyrsko hat schon bessere Zeiten gesehen. Eine große Fabrik für optische Gläser ließ wohl all die Wohnblocks entstehen und es gibt wie überall im Osten einen Secondhand für Kleidung. Der ganze Osten trägt unsere abgetragenen Sachen oder kauft beim Vietnamesen billige Kleidung und Schuhe aus Plastik, die nach Polymeren riechen. Das Kulturzentrum ist geschlossen und bröckelt vor sich hin. Am Zeltplatz läuft Rockmusik und der Kioskverkäufer ruft "Langos". Noch ein Katzensprung und wir können wieder jedes Wort verstehen. Dass wir Deutschland so nahe sind, wird uns auf dem Campingplatz ohne Umschweife klar. Die Schilder der Regeln und Verbote haben ein Ausmaß erreicht, das seinesgleichen sucht. Wir werden morgen springen, wie eine Katze über den Böhmerwald, den Sumava, wie sie hier sagen. Einfach schön war es, jenseits der Wand aus Vorurteilen und Sprachbarrieren.
24.06.2014
23.06.2014
Nicht ganz leicht
Im Hintergrund singt Abba und in der Luft liegt der Geruch von Pommes Frites. Der Zeltplatz von Trebon liegt traumhaft schön an einem See und das dazugehörige Städtchen ist perfekt renoviert und schmeichelt dem Auge in Pastellfarben. Die ganze tschechische Bevölkerung scheint hier auf dem Fahrrad unterwegs zu sein. Alle in der feschen Lidl-Radl-Ausrüstung, mit Helm und Trinkflasche. Wir sind in den Frühsommer gefahren und so ist das Wetter endlich richtig schön und die Menschen scheinen hier in ihrer Freizeit nicht auf den Feldern arbeiten zu müssen, sondern können Radfahren oder am See schwimmen gehen. In Brno reden wir noch mit zwei Rumänen, die hier in der Tschechischen Republik arbeiten und leben. Sie sagen, es sei viel besser als daheim, obwohl da doch ihr Herz schlägt. Unseres schlägt auch noch für den Osten mit dem Chaos, den Großmüttern mit den Kopftüchern und den angebundenen Tieren am Straßenrand. Hier ist alles sauber, wirkt ordentlich und die Straßen sind voller neuer Autos. Die Wohnblöcke sind alle bunt und renoviert. Sie wird sich weiter nach Osten ausdehnen, die Welt des Konsums und des Wegwerfens. Das Städtchen ist für uns ein wenig langweilig nach den Erlebnissen der letzten Wochen. Es ist schön und die vielen Seen in den Wäldern ein Traum. Mit dem Fahrrad sind wir unterwegs, mit all den anderen, nur ohne Radlerhose. Man sollte meinen, es ist nicht mehr möglich ohne Ausrüstung Fahrrad zu fahren. Nicht ganz leicht fällt uns die Rückkehr in unsere Zivilisation, die sich stetig nähert.
21.06.2014
Sehenswürdig
Meist haben wir sie gemieden, die sogenannten Sehenswürdigkeiten. Sie sind oft ohne Leben, man kennt sie schon vorher, irgendwie, und überlaufen obendrein. Oft fehlt ihnen das Leben, das ihnen die Menschen mit ihrer Geschichte einhauchen. In Brno ist die Villa Tugendhat die Sehenswürdigkeit Nummer eins. Eine Villa, die nach Plänen des Architekten Mies van der Rohe in den 20er Jahren für den Unternehmer Fritz Tugendhat erbaut wurde. Wenn man die Villa besichtigen will, muss man die Karten schon einen Monat vorher bestellen. So sehen wir uns eben die Innenstadt der zweitgrößten Stadt in Tschechien an. Natürlich gibt es wieder viele sehenswerte, frisch renovierte Fassaden, modern neben klassisch. Was auffällt sind die vielen Obdachlosen in der Innenstadt. In den anderen Städten wurden sie wohl weitgehend aus der Innenstadt "entfernt". Eine Frau verkauft hinter einer Bushaltestelle Kirschen und Obst aus ihrem Garten. Ein Musiker singt auf tschechisch und den Müll räumen die Roma weg. Drei bierbäuchige Arbeiter machen eine Pause bei einem Umzug und wir finden es gar nicht schlecht, dass wir hier auch die Armen zu Gesicht bekommen. Jeder Mensch ist würdig, gesehen zu werden.
20.06.2014
Landpartie Slowakei
Wir
verabschieden uns von den beiden Engländern John und Margret auf dem
Campingplatz in Levoce. Auch der polnische junge Mann mit seinem Motorrad fährt
weiter und die Australier schwärmen noch einmal vom schönen Europa. Meist treffen wir Reisende, die lange frei
haben und durch den Osten Europas touren. Deren Weg führt nach Osten, unserer
nach Westen. Sehr viel dichter wird die Besiedelung, wie auch der Verkehr, die
Straßenschilder und die Werbung am Rande der Städte. Vorbei an der hohen Tatra
führt unser Weg nach Tschechien. Von der Autobahn sind viele Burgen zu sehen,
sowie Hochhaussiedlungen, die oft wie Burganlagen scheinen. In Bulgarien und Rumänien schien die
kommunistische Architektur nur den Städten vorbehalten zu sein, auf dem Land
blieb alles wie gehabt. In der Slowakei stehen viele Bauten aus der Zeit der
Tschechoslowakei, der Zeit des Sozialismus. Wir fahren Richtung Westen und es
gibt sie nicht mehr, die Straßenhunde, die Pferdewägen, die Menschen, die am
Straßenrand zu Fuß gehen, die alten Dacias, Ladas und Skodas. Keine Schäfer
mehr mit ihren Herden und keine Schrott- und Altpapiersammler auf den Straßen.
Der scheinbare Fortschritt hat sie geschluckt. Der Wohlstand wächst, doch die
Toiletten sind nirgendwo abschließbar. An Fronleichnam sind die Kirchen voll und sogar vor der Kirche knien die Menschen am Boden. Ein alter Mann geht am Straßenrand mit
einer leeren Tasche. Wir fahren durch, bis Tschechien und haben keine
Gelegenheit mehr, mit den Slowaken über ihr Land zu sprechen. Hier gab es viele
Eindrücke, jedoch keine Geschichten.
19.06.2014
"Wir können nur beten, dass sie sich nicht so stark vermehren"
„Cigani“
ruft einer der Buben, als wir die Lehrerin fragen, ob die Kinder auch Englisch
in der Schule lernen. Er spricht kein Englisch, nur Cigan und Slowakisch, das er in der Schule gelernt hat. Uns fallen mehrere
Grüppchen mit Slowaken auf, die mit Romakindern spazieren gehen. Wir sind in der Ostslowakei, wo der
Romaanteil der Bevölkerung sicherlich bei 20 % liegt. Die beiden Bevölkerungsgruppen gehen durch die Straßen von Levoca, einem beschaulichen Städtchen mit
Unesco-Weltkulturerbestatus. Sie ignorieren einander und für uns fühlt es sich an, als ob sie
sich nicht einmal gegenseitig wahrnehmen. Die Kinder folgen den Lehrerinnen wie
Enten ihrer Mutter und alle schlecken an einem Eis. Auf Nachfragen erklärt uns die junge Frau,
dass es sich hier um ihre Klasse handelt. Es seien schwache Kinder, die auf
eine Sonderschule gehen. In einem Artikel im Internet finden wir die
Information, dass 50 % der Romakinder in der Slowakei automatisch auf Schulen
für geistig Behinderte gehen. Die Kinder schauen uns misstrauisch an, sie
verstehen nichts und scheinen wirklich nicht die hellsten zu sein. Die hübsche, aufgeschlossene Frau fragt uns,
ob wir noch ein Foto von ihnen machen wollen. Ich schäme mich. Das geht doch zu
weit. Ich knipse sie noch von hinten und einer der Jungs winkt und lächelt. Eine Roma mit einem Kinderwagen spricht mit
uns ein paar Brocken Englisch. Wir sagen ihr, die Stadt sei sehr schön,
doch sie winkt nur ab. Das Baby im Kinderwagen erinnert uns an das Fazit des
taz-Artikels aus dem Internet. Zitat eines Bürgermeisters: „Wir können nur
beten, dass sie sich nicht so stark vermehren“. Wie schon in Bulgarien und
Rumänien sind die Roma nirgends willkommen und vermutlich lässt sich das
Problem der geschätzten 10 Millionen in Europa nur gemeinsam lösen.
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