Ein politisches Statement über die Lage in der Ukraine abzugeben wäre vermessen. Odessa ist nicht die Ukraine, die Ukraine ist nicht Odessa. Wenn man überlegt auf welchen Wegen und an welchen Dörfern wir hierher gefahren sind, dann ist es umso erstaunlicher was wir hier finden. Die Stadt ist wieder voller Prachtbauten aus dem 19. Jahrhundert und der Jahrhundertwende. Es gibt über 800 Restaurants, die nicht mehr gefüllt werden können. Die Touristen bleiben aus. Der Himmel ist blau, der Honig, den wir bei Maxim auf der Straße kaufen, gelb. Die Landesfarben der Ukraine. Ein alter Mann versucht ein bisschen Geld zu verdienen, indem er Blumen verkauft und auf einem Balkon steht eine Nachricht mit gelben Sonnenblumen. Menschen reiten durch die Stadt und Jugendliche sind besonders gekleidet und tragen blaue Schärpen. Eine Fahrraddemo möchte bessere Fahrradwege in der Stadt und auf der Potemkinschen Treppe gibt es eine kleine Kundgebung gegen den Anschluss an Russland. Die Rezeptionistinnen in unserem Hotel sagen uns, keiner weiß was wird und keiner versteht was passiert, auch nicht ihre Verwandten in Russland. Bei dem gelben Telefonhäuschen mit dem blauen Telefon fällt uns ein, dass Konflikte nur durch entsprechende Kommunikation gelöst werden können. Der Himmel blau, die Felder gelb, wir wünschen der Ukraine, Europa und Russland einfach nur Frieden.
31.05.2014
30.05.2014
Russland oder Europa?
Zwei Putzfrauen mit
traurigen Gesichtern wischen mit altem Gerät die abgewetzten Fliesen. Ein
Soldat macht Sperenzchen mit seiner AK 47. Ein grüner Bus mit Soldaten fährt
vor und alle steigen aus. Am Gewehrlauf eines Mannes hängt eine 5 Liter Plastikflasche
mit Schnaps. Wir sind in Reni, an der Grenze Rumänien, Moldawien und der Ukraine. Das Ende
Europas? Es fühlt sich ein bisschen so an. Männer mit kleinen Aktenkoffern
stehen in einer Warteschlange. Auch Peter muss unzählige Male in die Räume der
Grenzstation gehen. Unser Auto wird gefilzt, die Chassienummer kontrolliert und
wir bekommen spezielle Papiere. Männer fluchen auf rumänisch und die einzige,
die hier lächelt ist ein kleines Mädchen auf dem Arm ihrer Mutter. Sie versteht
noch nichts vom Grenzen ziehen. Der Himmel ist heute grau und wir fahren in eines der Länder, die zur Zeit eine traurige Geschichte erleben. Aufgerieben
zwischen den Mächten aus Washington und Moskau. Zwei Stunden für zwei
Grenzübergänge. Das sind wir nicht mehr gewöhnt im geeinten Europa. Es bleibt
abzuwarten, wann die Menschen auch hier einfach über die Grenze fahren.
Die Straße nach Odessa befindet
sich in einem miserablen Zustand. Schlaglöcher und von Zeit zu Zeit aufgerissen wie eine geplatze Rote Wurst. Hier hat noch kein EU-Geld geholfen, die Schlaglöcher
zu stopfen. Mädchen mit weißen Kniestrümpfen und Schleifen im Haar gehen auf
der Straße. Es regnet, der Himmel ist grau und macht die Dörfer noch trister.
Heldengedenktag, Schleifen im Haar und Blumen in der Hand, so feiern sie ihre
Kriegshelden. Für uns sind diese Menschen die Helden des Alltags. Riesige Felder begleiten uns und wie auch in Rumänien stehen angebundene Tiere am Straßenrand. In einem kleinen Laden kaufen wir uns zwei Kaffee und zwei Kekse für 60 Cent. Eine Frau kauft Wodka, eine zweite drei Schachteln Zigaretten und zwei weitere Männer wieder Wodka, den teuren. Eine alte Frau geht in Gummistiefeln über die Straße und die Autos sehen so aus, wie wir sie alle im Kindergarten gezeichnet haben. Vorne ist gleich wie hinten. Die Strecke zieht sich und es hört nicht auf zu regnen.
20 Kilometer vor Odessa durchqueren wir mehrere Militärkontrollen. Weiße Sandsäcke bilden kleine Schutzwälle und ein Panzer zielt auf die Straße. 50 Meter weiter stapeln sich die Kartoffelsäcke der Straßenverkäufer. Ein einbeiniger Mann im Ledermantel geht auf Krücken in eine schäbige Kneipe wie in einem Bild von Otto Dix.
Nach sechs Stunden Fahrt erreichen wir Odessa. Unser Hotel liegt mitten in der Altstadt und hat einen wunderbaren Blick in einen Innenhof. Vom Balkon sehe ich eine Taube wie sie in die Ferne blickt. Russland oder Europa, das ist die Frage.
29.05.2014
Drum bun
"Drum bun" heißt "Gute Fahrt" und steht am Ortsausgang sogar der kleinsten Dörfer. Wir verabschieden uns vom Donaudelta. Der Besitzer erzählt uns zum Abschied, dass sie diesen Camping nur eröffnet haben, weil die anderen Campingplatzbesitzer im Dorf sie bei ihrem Besuch hier im Delta beschissen hatten. So sind sie nur hier, um den anderen zu schaden. So läuft das hier wohl oft. Jeder bescheißt jeden beim täglichen Kampf im Spiel des Lebens. Wir fahren über die Donau nach Galati, einer hässlichen Hafenstadt an der Grenze zur Ukraine und Moldavien. Es ist heiß beim Warten an der Fähre. Jämmerliche Straßenhunde, Herumtreiber, die etwas verkaufen und ein kleiner Laden begrüßen uns, als wir durch das Hochwasser auf der Straße fahren. Der vermeintliche Campingplatz existiert nicht. Wir fahren zu einer Werkstatt, die uns Christoph empfohlen hat. Dort können wir den Hänger sicher lassen. Und ja, Livia sagt, das sei kein Problem und hängt sich ans Telefon, um nach einem Campingplatz für heute nacht zu suchen. Wir werden vom Chef an den Platz eskortiert, um festzustellen, dass es kein "drum bun" gibt, zu diesem Camping. Wir müssen weiter. Der zweite Tipp ist der Zirkus. Wir finden ihn und fragen am Eingang, ob sie sich an Christoph erinnern. Die Augen des jungen Mannes leuchten, aber wir werden nicht hineingelassen. Die Dame am Trapez, die am besten Englisch spricht, ist leider nicht da.
Auf schlechten Wegen erreichen wir eine Pension, die mit einem Pool zu werben weiß. Bei 33 Grad und mal wieder einer Irrfahrt durch dieses Land freuen wir uns auf eine Abkühlung. Doch es ist noch nicht Saison und so stehen wir vor einem blauen Loch, ohne Wasser und Lucian, der nur Rumänisch spricht. Ich erkläre ihm, dass wir den Wohnwagen zwei Tage auf seinem Gelände lassen und ein Nacht in seiner Pension nächtigen wollen. Nach einem verwirrenden Telefonat zeigt er uns das Zimmer. Wir rollen unser Baby in den Hof und fallen aufs Bett. Es ist ruhig in diesem Vorort von Galati, das Schild der Pension sagt "Drum bun" und dahinter schippt ein Mann im Ronaldo-T-Shirt Sand für die Baustelle an seinem Haus. Jeder schaut nach sich, die Zäune sind hoch und im Schatten sitzen die alten Frauen und lassen die Beinchen baumeln. Wie hat wohl die Fahrt ihres Lebens ausgesehen, fragen wir uns.
28.05.2014
Geampara und das Delta der Donau
Sie sitzen am Rande des
Campingplatzes und warten auf Kundschaft. Die Straße, die durch Murighiol
führt, ist ihr kleines Fenster zur Welt. Ab und zu fährt ein Wagen mit
orientalischer Musik vorbei und in der Ferne klingen die Glocken der Kirche von
Band. Im strömenden Regen empfängt uns Viktor und weist uns den Weg zu der kleinen
Wiese hinter der Straße. Christoph aus der Schweiz ist mit uns der einzige
Kunde, der mit einem großen Aufleger durch Rumänien unterwegs ist. Er kommt
gerade aus Galati, wo er zwei Wochen mit Zirkusleuten verbracht hat. Wir
verstehen uns auf Anhieb und seine Geschichten aus den Dörfern Rumäniens sind
wunderbar. Eine gemeinsame Tour durchs Delta mit Tiberius in einem kleinen Boot am nächsten Morgen führt uns durch
Kanäle voller Wasservögel und Seerosen. Bäume stehen tief in der sich hier
verlaufenden Donau und die Hütten der Fischer sind nur von Katzen und Hunden
bewohnt. Die Pelikane des Deltas sind mit uns und führen uns immer wieder, vom
Motorboot aufgeschreckt, ihren eleganten Flug vor. Das Delta ist nahe unseres
Dorfes, das ansonsten nicht viel zu bieten hat. Viktor und Florin sind an Musik
aus Deutschland interessiert und Florin spielt uns noch auf seinem Akkordeon
eine traditionelle Musik des Deltas vor. Die junge Frau mit den blauen Fingernägeln lauscht ein wenig gelangweilt. Die Musik heißt „Geampara“, was
„ohne Geld“ bedeutet. Die Musiker haben für „nichts“ gespielt. Das hat hier
Tradition, das arm sein.
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